Ferien
Die biblischen Schriften kennen nicht nur Zeiträume der Ruhe und der Musse – sie heben sogar deren Bedeutsamkeit hervor. Der Ausdruck «Ferien» – vom lateinischen «feriae» für Festtag oder Ruhetag kommt darin allemal noch nicht vor. Er entspricht aber dem Grundgedanken, dass eine permanente Produktivität weder sinnreich noch gottgewollt ist.
Vom Arzt und Theologen Albert Schweitzer stammen die Worte, dass die Seele verdorre, wenn sie keinen Sonntag habe.
Leben findet im Gleichmass zwischen Zeiten der Arbeit und der Ruhe statt.
Und Ausruhen und Ferien scheinen genau das zu reflektieren, worauf auch der siebte Schöpfungstag hinweist: eine schöpferische Pause. Die vermutlich erste arbeitsrechtliche Regelung kommt also gewissermassen aus dem Alten Testament. In der Schöpfungsgeschichte wird beschrieben, dass der Schöpfer-Gott am siebten Tag ruhte.
«Du sollst den Feiertag heiligen», übersetzte Martin Luther das nach seiner Zählung dritte Gebot. Ein erstaunliches Gebot, das Gott auf dem Sinai seinem Propheten Mose auf die Steintafel schreiben liess! Es steht in einer Reihe unmittelbar einleuchtender Gebote, nämlich nicht zu töten, zu stehlen, zu lügen. Über sie könnten wir uns wohl mit allen Religionen der Welt und wahrscheinlich auch mit allen nicht religiösen Menschen einigen. Das Gebot, einen Ruhetag einzuhalten und zu heiligen, ist jedoch eine jüdisch-christliche Besonderheit.
Urlaub vermag den Alltag zu unterbrechen. Und Unterbrechung stellt nach dem Theologen Johann Baptist Metz die kürzeste Definition von Religion dar. Jedes Unterbrechen kann zu einem Aufbrechen werden. Vielleicht führt es zu einem Aufbruch hin zu Fragen existentieller Art, nach Sinnfindung, nach Gott. Zu Fragen, die inmitten der vielen Verpflichtungen und dem Eingespanntsein in Abläufe untergehen oder auch verdrängt werden. So vermögen Ferien gleichsam zu einer Insel der Ruhe und Einkehr zu werden.
Die erste Ferienregelung der Schweiz datiert aus dem Jahre 1879. Sie galt nur für Beamte des Bundes und organisierte deren Kuraufenthalte. Bis zum Ersten Weltkrieg existierten in der Privatwirtschaft kaum Ferienbestimmungen
Gesetzlich fixiert wurde das Recht auf Ferien für alle erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Anfänglich in einzelnen Kantonen, dann erst auf Bundesebene. Ab 1966 legte das Arbeitsgesetz ein Minimum von zwei Ferienwochen fest. Seit 1984 sind in der Schweiz per Obligationenrecht vier bezahlte Ferienwochen garantiert. Es sind dies Privilegien, wie sie weltweit nur einem kleinen Anteil gewährt sind, stehen sie doch in Abhängigkeit von ökonomischen Aspekten, Frieden sowie politischer Stabilität
Das Bewusstwerden dieses Umstandes sollte neben der Freude über verdiente Ferien auch Dankbarkeit und Demut mitschwingen lassen.
Herzlich wünsche ich Ihnen schöne Sommertage!
Pfarrer Robert Tanner